Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Was treibt Menschen eigentlich dazu, mehrere Tage lang das gewohnte traute Heim mit festem Dach über dem Kopf, einem bequemen Bett, womöglich einer Badewanne, in der man sich räkeln kann und einer gemütlichen Couch gegen Zeltleben, Mücken, Hitze, Regen, Gewitter, Matsch und vielleicht auch noch einen „anständigen“ Sonnenbrand oder ein paar wundgelaufene Füße mit heftigen Blasen einzutauschen. Eigentlich müsste man sagen: Die sind ganz schön bescheuert. Zumal es sich nicht (nur) um das sogenannte Jungvolk handelt, sondern auch um Leute, die mitten im Berufsleben stehen, oder Selbiges sogar schon hinter sich lassen.

Als ich am Donnerstag, dem sogenannten „Vatertag“ von frühmorgens bis in den späten Nachmittag hinein meine Zeit am Nürburgring und auf den dort angrenzenden Campingplätzen an der Nordschleife verbracht habe, da habe ich mir – wahrscheinlich zum mindestens hunderten Male – die Frage gestellt: Was macht eigentlich die Faszination dieses einzigartigen Spektakels mit dem Namen 24-Stunden-Rennen aus? Warum werden aus ganz normalen, zivilisierten Menschen in einem sogenannten „seriösen Beruf“ auf einmal Party-Gänger, die sich tagelang mit dem unverwechselbaren Charisma dieser Veranstaltung einnebeln? Ist es der Motorsport? Sicher, zum Teil zumindest. Aber ist es auch die Möglichkeit, sich einmal im Jahr vom Ballast des bürgerlichen funktionieren Müssens zu befreien. Einmal in kurzen Hosen, mit blankem Oberkörper auf dem wackligen Campingstuhl in der Wiese sitzen und einfach nur genießen. Sich keinen Deut darum scheren, ob sie nun in der Sonne „gebraten“ werden, vor Landregen und sogar Hagelkörnern flüchten müssen oder vielleicht auf einer Luftmatratze Nächte verbringen müssen, die ihre besseren Tage schon lange hinter sich hat. Nein, beim 24h-Rennen gilt noch der uralte Spruch: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein…“

Was mir dabei immer mit am meisten und auch sehr wohltuend auffällt, ist die Tatsache, dass es rund um das 24h-Rennen keine Randale gibt! Keine Kloppereien zwischen Fans von Audi, BMW, Mercedes oder Porsche. Einfach nur Leute, die froh gelaunt dieses einzigartige Event genießen wollen. Keine Einsätze von schwer bewaffneten Polizeieinheiten, die wild gewordene Ultras voneinander trennen müssen. Dass der Eine oder Andere im Eifer des Gefechtes und mit dem einen oder anderen Bier zu viel mal über die Stränge schlägt, mag passieren. Aber dann sind es meistens die Kollegen, die ihn zur Räson rufen, ohne dass die Gesetzeshüter gebraucht werden.

Und aus genau diesem Grund werde ich an diesem Wochenende wieder meine Zeit dort oben mit großer Freude und auch mit Spannung über das sportliche Ergebnis verbringen. Als Berichterstatter, aber auch – und das muss innerhalb von 24 Stunden auch einmal draußen an der Strecke möglich sein – als ganz normaler Fan. Als einer, der sich nachts raus stiehlt ans Brünnchen, in die Hatzenbach oder ans Schwedenkreuz und einfach nur genießt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein mindestens ebenso frohes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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