Nissan: Key Car Dayz Rooks

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Die alte Dame am Straßenrand kann es kaum fassen – und bittet höflich um ein Selfie: Zwei Langnasen von bald zwei Metern hat sie ihr Lebtag noch nicht gesehen. Dabei hat sie sicher schon über 80 Jahre auf ihrem krummen Buckel. Für uns Gäste aus dem fernen Europa ist das hier im Hafen von Yokohama zwar erst einmal ein ziemlich befremdliches Erlebnis. Aber wenn man etwas länger darüber nachdenkt, kann man sie verstehen. Denn genauso fasziniert, wie sie nach den Riesen aus dem Westen schaut, starren wir auf einen Mini aus dem Osten: Nissan Dayz Roox heißt der rollende Schuhkarton, der heute für eine Ausfahrt durch Yokohama, die hippe Nachbarstadt von Tokio, bereit steht. Und der ginge bei uns in Europa allenfalls als Spielzeugauto durch.

In Japan ist der Kleine allerdings eine große Nummer – zählt er doch zu den so genannten Kei-Cars, die mittlerweile rund 40 Prozent der Neuzulassungen ausmachen. „Das hat gute Gründe“, sagt Nissan-Designer Satoru Tai. „Damit kommt man nicht nur leichter durch die engen Straßen vieler Städte und findet einfacher einen der wenigen Parkplätze, sondern vor allem spart man jede Menge Geld.“ Die Kfz-Steuer bei Kauf und Unterhalt beträgt nur ein Drittel und die heftigen Autobahngebühren sind auch billiger. Auf der Fahrt von Tokyo nach Nagoya kann der Unterschied schon 15 oder 20 Euro ausmachen. Und das für viele Städter vielleicht wichtigste Argument: Anders als bei der Anmeldung eines konventionellen Pkw muss man für ein Kei Car keinen eigenen Stellplatz nachweisen. Bei Monatsmieten von bis zu 300.000 Yen (2.250 Euro) ist das für die Menschen in Tokio schon ein ziemlich triftiger Grund. Dafür greifen sie auch bereitwillig etwas tiefer in die Tasche, sagt Tai. Denn kaum jemand kauft Autos wie den Dayz Roox in der nackten Basisversion für 1,2 Millionen Yen, sondern entschädigt sich für den Platzverzicht mit so manchem Premium-Extra: „Am Ende sind die meisten Kei-Cars deshalb mindestens so teuer wie ein Auto aus der Kompaktklasse.“

Damit ein Auto das begehrte gelbe Kennzeichen der Kei-Cars bekommt, muss es allerdings strenge Anforderungen erfüllen, erläutert der Nissan-Designer. Der Motor darf nicht größer sein als 600 Kubikzentimeter, die Breite ist auf 1,48 Meter limitiert und die Länge auf 3,40 Meter begrenzt. Umso verwunderlicher ist es, wie viel Pfiff und Charme Männer wie Tai auf so wenig Platz unterbringen. Denn der Dayz Roox hat nicht nur ein spektakuläres Colorkonzept und kommt außen in einer Zweifarblackierung in Rosa und Weiß und innen mit Fußmatten, die jede 50er-Jahre-Bar schmücken würden.

Es gibt jede Menge liebevoller und praktischer Details vom Round-View-Monitor, der im Rückspiegel integriert ist über die Klapptischchen im Fond bis hin zum Haken für den berührungslosen Funkschlüssel, den man wie daheim am Schlüsselbrett aus dem Cockpit klappen kann. Selbst Xenon-Scheinwerfer haben die Japaner dem Micro-Van spendiert.

Und vor allem bietet der Dayz Roox für so ein kleines Auto jede Menge Platz. Schon vorn haben es die langnasigen Riesen beim Ausflug in die japanische Spielzeugwelt bequemer als in manchem europäischen Nissan der Kompaktklasse und könnten bei etwas mehr Zuneigung auf der durchgehenden Sitzbank sogar köstlich kuscheln. Aber hinten schlägt der Schuhkarton auf Rädern sogar Raumriesen wie den VW T6. So großzügig wie hier sitzt man in keinem anderen Van – selbst wenn er doppelt so groß ist wie dieser Knirps aus Yokohama. Dass dabei hinter der Heckklappe kaum mehr Platz für eine Brieftasche bleibt, darf einen nicht wundern – und erst recht nicht stören. Schließlich kann man die Sitze im Fond um stolze 26 Zentimeter verschieben oder umklappen – und dann sogar komplette Mountainbikes mit dem Dayz Roox transportieren. Oder wahrscheinlich auch den gesamten Hausstand einer jener berüchtigten Ein-Zimmer-Wohnungen.

Der Spaß mit dem Bonsai-Van hört allerdings auf, wenn das Fahren beginnt. Denn selbst die stärkere Variante holt mit Turbo-Hilfe gerade einmal 64 PS aus den drei Zylindern und klingt entsprechend asthmatisch. Noch befördert von einer stufenlosen Automatik mit ihrem quälenden Gummiband-Effekt, orgelt der Mini-Motor deshalb beim Beschleunigen wie eine Waschmaschine beim Schleudern und bringt den Liliputaner trotzdem kaum voran. In der Stadt mag das noch angehen, doch bis man mal Tempo 100 auf dem Tacho hat, dauert es eine gefühlte Ewigkeit und schon bei 140 Sachen ist wieder Schluss.

Für uns Langnasen ist das eher ungewöhnlich. Aber die Japaner können damit gut leben. Sie dürfen ohnehin nirgends so schnell fahren und sind spätestens bei der Einfahrt ins nächste Parkhaus wieder mit sich und ihrem Auto im Reinen. Schon möglich, dass zum Beispiel der Juke cooler aussieht und der Leaf mehr her macht. Aber wer einmal in eine japanische Tiefgarage gefahren und mit einem Wendekreis von unter neun Metern durch dutzende Etagen gekurvt ist, der will von anderen Autos nichts mehr wissen.

Text: Spot Press Services/Benjamin Bessinger
Fotos: Wolfgang Gröger Meier/SP-X

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