Toyota: Das grüne Gewissen des grauen Riesen

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Das genaue Datum weiß er natürlich nicht mehr. Doch es muss irgendwann in den frühen Achtziger Jahren gewesen sein. Frisch von der Uni hat Katsuhiko Hirose da gerade seinen Job bei Toyota angefangen und sich, neugierig wie Physiker nun einmal sind, auf die neuen Techniken gestürzt. Privat fuhr er gerne viel und schnell, doch im Beruf hat er sich den alternativen Antrieben verschrieben. „Das waren die neuesten Entwicklungen, deshalb haben sie mich am meisten gereizt“, erinnert sich der kleine Mann mit den wachen Augen und dem freundlichen Lächeln. Und dann hat ihn plötzlich die Ölkrise erwischt. Quasi von einem Tag auf den anderen wurde das Benzin in Japan so teuer, dass sich der junge Physiker kaum mehr den Sprit für seine kleine, sportliche Nissan-Limousine leisten konnte, die er aus der Studentenzeit ins Berufsleben gerettet hatte. „Da habe ich gewusst, dass sich was ändern muss“, sagt Hirose über den Moment, in dem aus Neugier plötzlich Notwendigkeit geworden ist.

Deshalb hat sich der Forscher voll und ganz dem Prius-Projekt verschrieben und dabei nicht allein die Technik im Auge gehabt. Sehr schnell hat er von den Schraubern zu den Strategen gewechselt und dem Hybrid-Auto durch Vorträge, Lobbying und die richtige Vertriebsstrategie den Weg auf die Straße geebnet. „Denn wir hatten damals ein großes Problem, das übrigens auch heute noch für alternative Antriebe gilt“, erinnert sich Hirose: „Die Gesellschaft ist schnell für den Umstieg zu gewinnen. Aber bei jedem Einzelnen muss man schwere Überzeugungsarbeit leisten“.

Beim Prius ist das Hirose und seinem Team ganz gut gelungen. Zwar wurde der Wagen anfangs nicht nur von der Konkurrenz belächelt, er hatte es auch im eigenen Haus schwer. Und obwohl Hirose zu den Vätern des Prius zählt, schüttelt es ihn angesichts des Designs noch heute, wenn er die erste Generation von 1997 sieht. Doch mit dem neuartigen Antrieb und dem ungewöhnlichen Design wird der Teilzeitstromer erst in Kalifornien zur Ikone der Ökos und dann weltweit zu einem Erfolgsmodell, das die ganze Firma in einem neuen Licht erscheinen lässt. Der graue Riese bekommt ein grünes Image, Toyota gilt plötzlich als Vorreiter an der Öko-Front und die technikverliebten Konzerne vor allem aus Deutschland müssen sich plötzlich als Schlafmützen schimpfen lassen.

Knapp 20 Jahre nach dem Start des Prius verkauft Toyota mittlerweile mehr als eine Million Hybridautos im Jahr und kommt auf eine Gesamtproduktion von über sechs Millionen Teilzeitstromer. Katsuhiko Hirose könnte sich deshalb am Ziel sehen und entspannt zurücklehnen. Doch der Mann, den sie nach seinem Engagement für den Prius „Mr. Hybrid Synergy Drive“ genannt haben, hat eine neue Vision und denkt deshalb nicht im Traum an den Ruhestand: Seien Visitenkarte hat jetzt eine Berufsbezeichnung, die stolze sechs Zeilen füllt und sein neuer Spitzname ist „Mr. Hydrogen“. Denn nun will Hirose die Welt vom Wasserstoff überzeugen und der Brennstoffzelle zum Durchbruch verhelfen. Nur so werde Autofahren auf Dauer bezahlbar bleiben und die Wirtschaft wachsen können, ist er überzeugt und muss dabei nur auf seine eigene kleine Welt schauen: „Wir haben sechs Autos in der erweiterten Familie, von denen wir auf keines verzichten können“, sagt Hirose. „Wenn wir die alle tanken, kommt so eine ordentliche Summe zusammen, dass wir an anderer Stelle ein bisschen sparen müssen.“ Wenn er dafür statt Öl irgendwann einmal Wasserstoff kaufen kann und der aus erneuerbaren Energien schier ohne Limit hergestellt wird, dann, so die Vision des Herren Hirose, wird er auch wieder billiger, tanken tut nicht mehr weh und die Menschen haben wieder mehr Geld für andere Dinge

Der Weg in die Zukunft hat, das hat Hirose gelernt, viele Hürden. Und die stehen oft auch im eigenen Unternehmen. Denn neben allen technischen Herausforderungen müssen die Vordenker immer wieder über Geld streiten und um ihre Budgets kämpfen. „Das oberste Management teilt unsere Visionen und hat viel Verständnis für die Investitionen“, freut sich Hirose. Doch vor allem im mittleren Management muss er dicke Bretter bohren: „Dort sitzen die Zahlendreher, die nur auf Kosten und Rendite schauen und einem das Leben manchmal ganz schön schwer machen können“, stöhnt der Vordenker und erzählt von der geschickten Diplomatie und dem sanften Druck von oben, der für ein Projekt wie den Prius nicht minder wichtig war wie manche technische Errungenschaft.

Mittlerweile hat er es da allerdings ein bisschen leichter. Schließlich ist der aktuelle Chairman unter Firmenchef Akio Toyoda ein Kollege aus alten Prius-Tagen: „Mit dem muss man nicht lange diskutieren, der weiß, worauf es ankommt.“ Trotzdem ist auch die Brennstoffzelle kein Selbstläufer. „Wir fechten die gleichen Kämpfe aus wie damals beim Prius. Innerhalb des Unternehmens oder draußen.“ Doch so wie es aussieht, hat Hirose mal wieder gewonnen. Denn nach über zwei Jahrzehnten Entwicklungszeit macht Toyota jetzt den nächsten Schritt und beginnt im nächsten Jahr mit der Serienfertigung der Brennstoffzelle.

Hirose freut das und es macht ihn natürlich auch ein bisschen stolz. Nur so recht profitieren kann er davon nicht. Zumindest nicht persönlich. Denn auch wenn seine Frau lieber heute als morgen ein Brennstoffzellen-Auto haben wolle, wird er wohl noch ein paar Jahre Prius fahren müssen, räumt Mr. Hydrogen ein. „Es fehlt einfach an der Infrastruktur“, klagt der Technik-Pionier: „Es gibt bei mir zu Hause weit und breit keine Wasserstofftankstelle.“

Zwar ist Hirose stolz auf mittlerweile über sechs Millionen Hybridautos bei Toyota und überzeugt, dass die Brennstoffzelle eine ganz ähnliche Erfolgsgeschichte werden wird: „Damals haben alle über uns gelacht. Heute werden wir schon ein bisschen ernster genommen. Und in 15 Jahren feiern wir die gleichen Partys wie seinerzeit im Prius-Team“, gibt er sich zuversichtlich und denkt mit Freuden zurück an die knallenden Sektkorken, als der Prius die erste Million geknackt hat.

Doch Hirose weiß, dass er dafür noch viele Vorträge halten muss. Deshalb denkt der Physiker auch mit Blick auf die Rente nicht an den Ruhestand, sondern will dorthin zurück, wo die Geschichte vor ein paar Jahrzehnten begonnen hat: An die Universität, nur diesmal auf die andere Seite des Pults. Als Dozent will er dort den Umstieg von Öl auf Wasserstoff predigen und denkt dabei viel weiter als nur an das Auto und die Brennstoffzelle. Auf der einen Seite müssten Länder wie Japan von ihren Mineralölimporten herunter kommen. Und auf der anderen Seite könne Atomkraft, so die Lehre aus Fukushima, nicht die alleinige Alternative sein. Dass die Aufgabe mit diesem hehren Ziel nicht eben kleiner wird, ist Hirose natürlich auch klar. Aber das ändert nichts an seinem Optimismus, zumal man bisweilen eben mal in längeren Zeitläufen denken müsse: “Natürlich dauert es ein bisschen, wenn man die Welt verändern will. Aber gerade deshalb kann man gar nicht früh genug damit anfangen.“

Text: Spot Press Services/Benjamin Bessinger
Fotos: Toyota

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