Von Taxen, Tuktuks und Geburtshelfern im Stau

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Wann und wo man auch hinschaut, meist sieht man Stau. Und wenn man da erst einmal drin steht, dann kann es dauern; ein Kilometer in der Stunde, mal ein halber und mal vollkommener Stillstand – selbst die Taxifahrer haben resigniert und steigen während der Fahrt mitten auf der Straße einfach aus, um neben ihrem Wagen eine Zigarette zu rauchen.

Gesund ist das natürlich nicht, aber im Grunde ist das auch schon egal. Denn Bangkok zählt nicht nur zu den Städten mit den schlimmsten Staus in der Welt, sondern ist mittlerweile auch für seine schlechte Luft bekannt und hat mit Peking oder Mexiko gleichgezogen. Das Top-Accessoire der Thais, die sonst gerne mal für modische Extravaganzen bekannt sind, war in diesem Jahr deshalb etwas eher Praktisches, das von Männlein und Weiblein gleichermaßen gern getragen wird: Ein Mundschutz gegen die enorme Feinstaubbelastung. Denn, wenn überhaupt, dann kann man die Tage, an denen der ohnehin politisch viel zu hoch gesetzte Grenzwert mal unterschritten wurde, an zwei Händen abzählen.

Der Grund dafür ist leicht zu erkennen: Von den zehn Millionen Autos sind viele älterer Bauart, ebenso wie Millionen Mopeds und Tausende Busse. Modernere Fahrzeuge sieht man selten und Luxusautos sind diesseits der noblen Hotels und Einkaufszentren eine absolute Rarität. Das gilt allerdings auch für die Pick-Ups, die in Thailand sonst die Straße dominieren und von hier aus die Welt erobert haben. Während sie auf dem Land Schulbus, Lastwagen und Familienkutsche sind, sieht man sie in der Stadt nur rund um die großen Märkte – hoffnungslos überladen mit Obst und Gemüse. Die Boote auf dem Fluss schleppen schwarze Dieselfahnen hinter sich her. Und Hausmüll wird meistens verbrannt. Und als wäre das nicht genug, glühen an jeder Straßenecke die Kohlefeuer der allgegenwärtigen Garküchen, wobei die wenigstens dafür sorgen, dass die Luft nach Essen riecht und nicht nach Sprit und Schmutz.

Während sich die Einheimischen stoisch ihrem Schicksal ergeben und durch den Verkehr dösen, ist der Stau für Touristen eine Schau, vor allem, wenn sie sich mit bis zu vier Personen auf die Gummisitze im Fond eines Tuktuks quetschen.Während der Fahrer vorn in seiner Kanzel hockt und ein Dutzend heilige Bildchen über sich wachen lässt, lümmelt oder kauert man hinten unter einer großen Pläne und geniest mit dem Fahrtwind ein bisschen Abkühlung in der drückenden Schwüle. Und Fahrtwind gibt es auf einem Tuktu fast immer. Denn irgendwie finden die Fahrer stets eine Lücke, durch die sie wieder ein paar Meter weiter kommen.Auf tiefschürfende Gespräche darf man dabei allerdings nicht hoffen und auch nicht auf touristische Hinweise. Denn erstens müssen sich die Fahrer, die auf dem Motor kauern wie ein Cowboy auf seine Gaul, auf den Verkehr konzentrieren und darauf, ihre Fuhre auf Kurs zu halten. Und zweitens ist es mit ihren Fremdsprachenkenntnissen nicht allzu weit her. Man kann schon froh sein, wenn es einem ohne Hände und Füße gelingt, vor der Fahrt den Preis auszuhandeln.

Nichtsdestotrotz ist das Tuktuk nicht nur die erlebnisreichste Art und Weise, Bangkok zu erkunden, weil man die Stadt nicht nur mit den Augen, sondern mit den Ohren und der Nase erlebt. Sondern die kunterbunten drei Räder sind nach wie vor auch eine der schnellsten. Denn die Taxen stecken im Stau genauso fest wie die Busse, die trotzdem ständig überfüllt sind, und auch die Fähren sind keine gute Alternative. Auf den Touristenbooten ist zwar immer Platz und ein Longboat chartert man für kleines Geld. Doch wer bei den Linienschiffen mitfahren will, braucht Geduld und darf keine Berührungsangst haben, so voll sind die Kähne bisweilen – ein Wunder, dass sie sich überhaupt noch über dem Wasser halten. Die Stadt hat vor dem Chaos längst kapituliert und sich mit den Staus arrangiert. Wie gut ihr das gelingt, zeigt eine Spezialeinheit der Polizei, die es sonst nirgends auf der Welt gibt. Weil es Schwangere unter normalen Umständen nie rechtzeitig ins Krankenhaus schaffen, gibt es in Bangkok eine schnelle Eingreiftruppe, die nur aus Hebammen und Geburtshelfern besteht. Sie bringen jedes Jahr hunderte Frauen mit Blaulicht in die Klinik und holen Dutzende Kinder in Taxi, im Bus, auf dem Rücksitz oder Bürgersteig auf die Welt.

Text & Fotos: Benjamin Bessinger/SP-X

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