VW: Sechs Generationen Polo

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„Ist der groß geworden, fast schon ein Golf“ – die ersten Reaktionen von Publikum und Presse auf den jüngsten Kleinwagen aus Wolfsburg waren ähnlich. Mehr noch, in den frühen Vergleichstests der Fachmedien ließ der erwachsen wirkende Cityflitzer dem Golf kaum eine Chance. Allerdings ist hier nicht die Rede vom gerade vorgestellten Polo der sechsten Generation, sondern von dessen Urahn, dem ab Sommer 1974 bei VW gebauten Audi 50. Dieser erste deutsche Kleinwagen mit Quermotor, Frontantrieb und Heckklappe führte das europäische Minisegment in die Moderne. Vor allem aber wurde er zum Vater des VW Polo, der sich bis auf das Markenzeichen wie ein Zwillingsbruder präsentierte. Am Ende war der kompakteste Audi aller Zeiten vergessen und der kleine Polo ein großer Bestseller, der es bis zur aktuellen sechsten Generation bereits auf über 15 Millionen Einheiten gebracht hat. Als Mini-Golf – tatsächlich sollte der Polo anfangs so heißen – gelang dem Kleinen eine globale Karriere, zumal er sich in großer Karosserievielfalt präsentierte. Nicht alle Formen fanden überall Anklang. Dennoch waren es mutige Modelle wie der kunterbunte Polo Harlekin oder der via G40-Lader beflügelte Polo GT, die den Kurzen mit Charisma aufluden und manche Kult-Typen hervorbrachten.

Von Kult kündet bereits die seit 42 Jahren unveränderte Modellbezeichnung Polo. Nur dem 1976 vorgestellten Ford Fiesta gelang in dieser Klasse vergleichbares. Dagegen sind die Vorreiter des modernen Kleinwagens aus den frühen 1970er Jahren wie Autobianchi A112, Fiat 127 und Renault 5 längst vergangen und vergessen – so wie übrigens auch der 1977 lancierte Derby als erste Stufenheckversion des Polo. Allerdings musste sich der nach dem gleichnamigen Ballspiel, aber auch nach dem Weltreisenden Marco Polo benannte Wolfsburger seinen Weg auf dramatische Weise bahnen. Begann die Geschichte des 3,51 Meter kurzen Dreitürers doch in der Depression nach der ersten Ölkrise als die Kassen des VW-Konzerns leer waren. Mit dem Kleinwagen auf Audi-Basis wollte VW das Frontantriebsmodellprogramm kostengünstig komplettieren und den Käfer endgültig in den Ruhestand schicken.

Im Gegensatz zum schicken Audi 50 gab sich der frühe Polo in der Ausstattung ähnlich abgemagert wie ein Formelrennwagen auf der Suche nach dem niedrigsten Kampfgewicht. Knapp 600 Kilogramm (trocken) brachte der knausrige Volkskämpe auf die Waage, verzichtete der VW doch geradezu phantasievoll auf jegliche Annehmlichkeit und Sicherheitsattribute: Kein Chromzierrat, dafür kahle Blechflächen im Interieur sowie Trommel- statt Scheibenbremsen. Fehlanzeige bei Gürtelreifen, Halogenlicht, Gepäckraumabdeckung, klappbarer Rücksitzbank und sogar Tankanzeige. Als Antriebskraft mussten 29 kW/40PS genügen, trotz allem blieb noch so viel moderne DNA des Genspenders Audi 50, dass sich nicht wenige Käufer für den Geiz-VW entschieden.

Richtig aufwärts ging es für den Polo aber erst in den Folgejahren, als er sich mit stylischen Sondermodellen wie dem Jeans-Polo, kräftigeren Motoren und hochwertigen Ausstattungen schmücken durfte. Zum Glück für den Polo passte ein Mini damals noch nicht ins Audi-Marketingkonzept, so dass der Volkswagen seinen Vater im Zeichen der Ringe 1978 endgültig in die ewigen Jagdgründe schicken konnte. Nun zeigte der Polo sein ganzes Potential, denn schon 1979 feierte Volkswagen das 500.000ste Exemplar. Derweil versprach der Polo GT als Leichtgewicht im Golf-GTI-Look sportlichen Fahrspaß, den die 44 kW/60 PS zwar nicht wirklich halten konnten – ein Fiat 127 Sport war deutlich flotter – dafür gelang dies der zweiten Polo-Generation umso besser. Mit avantgardistisch wirkendem kombiartigem Steilheck schrieb der 1981 komplett erneuerte Polo ein frisches Kapitel Kleinwagengeschichte.

Das Zauberwort für viel Leistung in dem 800-Kilogramm-Leichtgewicht lautete damals nicht Turbo wie bei der Konkurrenz, sondern G-Lader. Dahinter verbarg sich ein spiralförmiger Scrollverdichter, der zwar den Ruf hatte, nicht ganz unproblematisch zu sein, aber dem 1,3-Liter-Vierzylinder bis zu 129 PS entlockte. Dies zumindest in einem Weltrekordfahrzeug, das einen Durchschnitt von 208 km/h über die Distanz von 5.000 Kilometern erzielte. Im serienmäßigen Polo G40 waren es 1987 immer noch 85 kW/115 PS, mit denen der geladene Giftzwerg manchen BMW 3er von der Überholspur verscheuchte. Ganz im Gegensatz zum Zweizylinder-Diesel im Öko Polo, der mit G-Lader 33 kW/40 PS leistete, aber nur durch seinen Verbrauch von 2,0 Liter beeindruckte. Allerdings war die Zeit Ende der 1980er Jahre noch nicht reif für solche Extremsparer, weshalb VW auf den Großserienbau des Öko-Polo verzichtete. Sparfüchse kauften damals lieber den Polo Fox, ein minimalistisch ausgestattetes Einstiegsmodell. Zum Erfolg führten den Fox seine poppigen Farben.

Bunt blieb auch in den 1990er Jahren angesagt als der Polo in die dritte Generation mit vier Karosserievarianten (Dreitürer, Fünftürer, Kombi, Stufenheck) wuchs. Legendär waren die Lackierungen Ginstergelb, Pistazie, Flashrot und Chagallblau, ein quietschbuntes Farbquartett, das den Polo Harlekin ergab. Um dieses Sondermodell zu produzieren, wurden fertig lackierte Rohkarossen in den vier Farben hergestellt und anschließend die Bauteile per Hand und nach Zufallsprinzip ausgetauscht. Wer einen Harlekin bestellte, wusste nicht, welches Teil welche Farbe trägt – eine Weltneuheit der Fahrzeugkonfiguration. Gesuchte Kultmodelle wurden zudem die limitierten 1998er Sondermodelle Polo Open Air mit riesigem Faltverdeck und der GTI als 200-km/h-Renner.

Den nächsten GTI gab es erst in der 2001 aufgelegten vierten Polo-Generation. Dafür schaffte der Renner in der Cup Edition jetzt 225 km/h. Noch rasanter war danach nur noch der 2009 lancierte Polo Nummer fünf und zwar als GTI (Vmax 236 km/h) und als Straßenversion des WRC-Rallye-Champions, der eine Sprintzeit von 6,4 Sekunden auf Tempo 100 in den Asphalt brannte. Für die Mehrzahl der Käufer waren jedoch andere Polo interessanter. Etwa die seit 1988 angebotenen Diesel, mit denen der kleine VW eine Antwort fand auf die erfolgsverwöhnten französischen Selbstzünder-Minis. Auch den Trend zu Stadtautos im Offroadlook treibt der Polo seit 2004 voran. War es zunächst das Sondermodell Fun, wurde der CrossPolo zwei Jahre später bereits fester Bestandteil des Kleinwagenprogramms. Nur eine Außenseiterrolle blieb dagegen dem Polo mit Stufenheck vergönnt. Zumindest, was Deutschland betrifft, denn in Osteuropa und Asien fand dieser Viertürer am Ende doch seine Fans.

„Ein kurzes Auto kommt groß heraus“, warb Volkswagen 1975 für seinen neuen Kleinen. Sechs Generationen später hat der Polo die vollmundige Ankündigung realisiert. Mit dem neuen Gardemaß von 4,05 übertrifft der fortan im spanischen Pamplona gebaute Wolfsburger frühere Golf-Generationen und ist längst nicht mehr der Zwerg im Konzern. Diese Rolle übernahmen Lupo, Fox und Up – ohne jedoch an die Erfolge des Polo heranzureichen.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: VW/SP-X

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