Buchtipp – Calsow: Quercher und das Seelenrasen

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Einige ältere Herrschaften konnten sich das Stieren nicht verkneifen. Denn Diara Poschner trug zwar die Tracht der Einheimischen, war aber pechschwarz wie die meisten Menschen aus Nigeria. Eindeutig zu dunkel für die vielen politisch Schwarzgefärbten im Antiquarium der Münchner Residenz. Diara würde heute vom Ministerpräsidenten persönlich den Bayerischen Verdienstorden entgegennehmen. Das war angesichts ihres Alters ungewöhnlich. Aber sie hatte, seit sie in Deutschland lebte, ihre Freizeit der Arbeit mit Flüchtlingen gewidmet, Migranten die deutsche Sprache gelehrt und vornehmlich Westafrikaner betreut. Das allein hätte dem Landesvater, der sie jetzt aufmunternd anschaute, nicht gereicht. Engagierte Bürger gab es viele in Bayern. Aber Diara hatte Besonderes geleistet.

Im neuen Einsatz verlangt Autor Martin Calsow nicht nur viel von seinem Kommissar Max Quercher, sondern auch von der Leserschaft. Das fängt damit an, dass nach der ersten Seite schon offen ist, ob Quercher den Fall überhaupt noch wird übernehmen können. Und der Fall selbst hat es in sich. Calsow ist etwas gelungen, das gründlich hätte schiefgehen können: Er verknüpft zwei hochkomplizierte Themen, die sich zur realitätsfernen Schwarzweißmalerei wunderbar eignen – die Migrationsproblematik und die forschende Pharmaindustrie, die natürlich auch auf Gewinne schauen muss.

Martin Calsow verkneift sich jede plakative Darstellung. Stattdessen zeigt er, wie Zweifel an vermeintlich redlichen Motiven entstehen und Ermittlungen den Ermittler – ganz wörtlich – an den Rand des Wahnsinns treiben können.

Der Mensch ist ein Mängel- und Umwegwesen. Wer diese Tatsache vorweg akzeptiert, wird Quercher und das Seelenrasen mit großem Gewinn lesen.

Martin Calsow: Quercher und das Seelenrasen. Grafit Verlag; 12 Euro.

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