Gunter Gabriel: Ein Nachruf

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Wer es in die ZDF-Hitparade schaffte, der hatte es geschafft – sogar nach nur einem Auftritt statt möglicher drei war der Sängerin und war dem Sänger der Hit sicher. Gesungen wurde von Schmetterlingen, die nicht weinen können, von der schönen Maid, davon, dass man nicht immer 17 sein könne, und passend zu ihren Liedern präsentierten sich die Stars für Zeitungen in Homestorys aus der schönen, heilen Welt.

In diese schöne, heile Schlagerwelt der Siebziger mischte sich dann ein Typ, der ganz andere Themen parat hatte. Und man sah Gunter Gabriel schon an, wovon er singen würde: Von dem armen Kerl, der schlichtweg nicht genug verdient, obwohl er malocht wie verrückt. Von dem Mann, der einen 30-Tonner-Diesel fährt und dessen Zuhause die Autobahn ist. Schon auf den ersten LP-Covern guckte er immer ein wenig grimmig, seine Plattenfirma nannte sich im Untertitel der andere song – in Kleinschreibung. Gunter Gabriel kam an, schaffte es mehrfach in die ZDF-Hitparade und andere maßgebliche TV-Formate der Zeit, er landete Hit auf Hit, aber er polarisierte auch. Komm unter meine Decke etwa, sein 1976er-Treffer, war der provozierende Gegenentwurf zum ansonsten sehr gefragten blitzsauberen Teenieschwarm mit Zahnpastalächeln und tadellosen Manieren. Genau für diesen Typus war er aber auch tätig – als Liederschreiber. Unter anderem profitierten Wencke Myhre, Peter Alexander, Rex Gildo und vor allem die junge Juliane Werding davon. Das brachte ihm Tantiemen, wurde aber in der Öffentlichkeit nicht groß wahrgenommen. Da blieb er sozusagen der Sänger fürs Grobe.

Auf den großen Erfolg folgte erst mal der große Absturz. Aus allem, was ihm passiert ist, hat er nie ein Hehl gemacht. Und je älter er wurde, umso gereifter wurden seine Songs. Ein Meilenstein in der Karriere des Gunter Gabriel entstand zusammen mit Johnny Cash kurz vor Cashs Tod – mit dem US-Country-Idol war Gunter Gabriel eh immer gerne verglichen worden. Was früher mal prollig wirken konnte und Stoff für Schlagzeilen lieferte, kam jetzt vor allem altersweise und ehrlich rüber.

Seinen 75. Geburtstag am 11. Juni 2017 hatten die Medien noch groß und durchweg wohlwollend vermeldet. Elf Tage später ist Gunter Gabriel an den Folgen eines Treppensturzes gestorben. Über sein Alter und über den Tod hatte er in letzter Zeit wiederholt gesprochen – offen und unsentimental, wie es seine Art war.

Einen ausgezeichneten Überblick über sein Schaffen geben die kürzlich auf CD veröffentlichten LPs aus den 70ern (Original Album Classics/Sony Music).

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