Volkswagen: 80 Jahre Käfer

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Wolfsburg wird den 80. Geburtstag des Käfers wohl erst im nächsten Jahr feiern, aber der Startschuss für das Unternehmen Volkswagen erfolgte bereits am 28. Mai 1937. Passgenau zur ersten Produktionsserie des von Ferdinand Porsche entwickelten Heckmotor-Modells mit seinem markanten Boxer-Sound wurde damals in Berlin die „Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH“ gegründet, aus der dann die „Volkswagenwerk GmbH“ hervorging. Von einem Porsche-Motorenkonstrukteur stammte auch das 1937 gezeichnete Markenzeichen „V und W im Kreis“, das die Großserienversion des offiziell Typ 1 genannten VW kennzeichnete. Ein Fahrzeug, das die Welt veränderte wie bis dahin kein anderes. Nicht einmal das Ford T-Model als Fließbandvorreiter kann für sich in Anspruch nehmen, so viele Menschen klassenüberschreitend bewegt zu haben wie der knapp 22 Millionen Mal verkaufte Käfer. Dessen moderner Nachfolger Golf mobilisiert zwar mittlerweile noch mehr Käufer, aber als populärster Klassiker aller Zeiten feilt der Urvater aller Volkswagen weiter an seinem Mythos.

Seinen Kosenamen „Käfer“ verdankt der Wolfsburger übrigens ausgerechnet der „New York Times“, die den ersten deutschen Millionseller schon bei seiner Premiere schlicht „Beetle“ nannte. Ob Käfer, Beetle, Bubbla (Schweden), Coccinelle (Frankreich), Maggiolino (Italien), Vocho (Mexiko) oder Fusca (Brasilien), die Welt liebt den schon während seiner fast 70-jährigen Bauzeit antiquierten, aber unverwüstlichen Zweitürer im Stromlinienstil der Vorkriegsära. Und sie verzeiht ihm nicht nur seine Anfänge als „Kraft-durch-Freude“ („KdF“)-Wagen der nationalsozialistischen Propaganda Adolf Hitlers, sondern auch seine Rolle als Militärfahrzeug während des Zweiten Weltkriegs. Denn nach 1945 war dieser Volkswagen das erste Weltauto für alle Kontinente.

Ein Auto mit dem Arbeiter zum Werkstor und Generaldirektoren zur Oper fuhren. Ein vier Meter kurzer Wagen, der nicht nur vier Personen pannenfrei transportierte, sondern auch ihre Sehnsüchte nach der Sommerreise in den Süden und einem Stück heiler Welt verkörperte. Ein Volkswagen, der für junge Amerikaner zum Lovebug mutierte, nigerianischen Ärzten als Busch- und Mexikanern als Volkstaxi diente. Ein Krabbeltier, das als Kultobjekt bei Hippiefestivals und als Hauptdarsteller im Kino-Kassenschlager „Herbie“ Schlagzeilen machte und in Amerika eine rollende Protestnote gegen das PS-Establishment war. Der Klang des luftgekühlten Boxer-Vierzylinders schaffte es durch die Band „Kraftwerk“ 1974 sogar in die Top Ten der Popcharts – als Intro des Songs „Autobahn“. Da stand aber der nachfolgende Golf bereits in den Schauräumen und das lange Sterben des Vorkriegs-Volkswagens begann. Anfang Juni 1974 lief in Wolfsburg der letzte vom Band, 2003 kam es zum Finale für den Vocho in Mexiko.

Leicht hatte es dieses Auto nie, auch weil seine Geschichte ein Stück Deutschland verkörpert. Volkswagen als Gattung hatte es schon viele gegeben – hierzulande wird dieser Begriff seit 1904 benutzt – als Adolf Hitler auf der Berliner IAA 1934 den Bau eines Autos für breite Bevölkerungsmassen forderte. Der „Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie“ (RDA) beauftragte daraufhin den damals schon als genial gerühmten Konstrukteur Ferdinand Porsche mit der Entwicklung eines „Volkswagens, dessen Lastenheft folgende Pflichtpunkte umfasste: Vier Sitzplätze, vier bis fünf Liter Verbrauch auf 100 Kilometer und eine autobahngeeignete Vmax von mindestens 80 km/h. In späteren Jahrzehnten wurde Porsches konstruktive Vaterschaft am Volkswagen zwar in Frage gestellt, unbestritten bleibt es aber sein Verdienst, das Produkt Volkswagen vitalisiert zu haben.

Schlagzeilen machte auch der politisch motivierte und deshalb nicht kostendeckende Preis von 990 Reichsmark für den kleinen Familienwagen. Das sogenannte KdF-Wagen-Sparsystem sollte den 17 kW/24 PS starken und 105 km/h flotten 1,0-Liter-Vierzylinder finanzierbar machen. Schon 1938 ließen sich 270.000 Kaufinteressierte registrieren und beteiligten sich mit einer minimalen Sparrate von fünf Reichsmark pro Woche. Es war ein Vertriebssystem, das sich zwölf Monate später als gigantische Täuschung aller Käfer-Kaufwilligen enttarnte. Denn von den insgesamt angesparten 268 Millionen Reichsmark finanzierten die Nationalsozialisten den Bau des Volkswagen-Werks in der eigens gegründeten Stadt Wolfsburg und ein nicht unerheblicher Teil floss in den Staatshaushalt – und schließlich wurden statt des Käfers Kübelwagen für den Kriegseinsatz gefertigt. Befreien von dieser politischen Belastung konnte sich der VW Typ 1 erst im Jahr 1961, als der Bundesgerichtshof allen KdF-Wagen-Sparern eine Barabfindung oder einen Preisnachlass beim Kauf eines Volkswagen-Neuwagens zusprach.

In jenem Jahr war der zähe Wolfsburger bereits auf dem Weg zum Weltmeister, meistgebaut, meistgeliebt und meistgehasst. Nicht nur in Deutschland galt er als Symbol wirtschaftlichen Aufschwungs, er gab den Menschen durch mechanische Zuverlässigkeit – kein kochendes Kühlwasser und keine Kolbenfresser – und seine Kontinuität im Design den Glauben an die Verlässlichkeit zurück. Ein Nimbus, den sich die Marke Volkswagen bis zum gegenwärtigen Diesel-Skandal bewahren konnte. Mochte sich die Welt auch noch so rasant verändern, für Volkswagen galt der legendäre Werbeslogan: „Da weiß man, was man hat“. Genau das machte den Käfer zum meist gefürchteten deutscher Exportartikel.

Gefürchtet von Konkurrenten, die das Krabbeltier mit „Käfer-Killern“, also eigenen Kompaktmodellen meist vergeblich bekämpften. Waren dies in Deutschland vor allem die moderneren Ford Taunus 12M und Opel Kadett, bemühten sich in den USA eigens kreierte Compacts der Big Three GM, Ford und Chrysler um Eindämmung der vermeintlichen Käferplage. Denn die Amerikaner hatten den Beetle zum Kultobjekt erhoben, über das ein Magazin schrieb: „Er ist ein Familienmitglied, das nur zufällig in der Garage wohnt“. Nach „Diesel-Gate“ heute kaum mehr zu glauben, aber 1970 errang Volkswagen über sieben Prozent Marktanteil in den USA. Dagegen fristeten alle anderen Importeure auf dem größten Automarkt der Welt ein Nischendasein. 1972 folgte dann des Beetles ultimativer Triumph über die US-Konzerne: Mit dem 15.007.034sten Käfer knackte VW den bisherigen Bestwert des Ford Model T.

Mit dem Ur-Käfer hatten die VW 1302 und 1303 des Jahrgangs 1972 aber nur noch das Konzept und die Silhouette der Karosserie gemeinsam, gab es doch im Laufe der Jahre 78.000 Änderungen. Trotzdem, eine Evolution war jetzt nicht mehr möglich, also musste eine Revolution her. Die Stunde des Golf war gekommen. Mit den Kennzeichen Frontantrieb und großer Heckklappe begründete der Golf die Kompaktklasse als neuer klassenloser Megaseller. Letzteres ganz in der Tradition seines Ahnherrn, der als Oldtimer die Nummer eins auf deutschen Straßen bleibt und luftgekühlt läuft und läuft. Nahezu geräuschfrei soll dagegen der Neustart von Volkswagen ins Zeitalter der E-Mobilität gelingen – passgenau zum 80. Jubiläum der Marke.

Text und Fotos: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Volkswagen/SP-X

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