Buchtipp – Schlenz: Mutti baut ab

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Kaum jemand redet oder schreibt darüber, von wissenschaftlichen Veröffentlichungen vielleicht abgesehen. Tatsächlich ist es zunehmend alles andere als ungewöhnlich: Eltern erkranken an Demenz, und den erwachsenen Kindern obliegt nun mehr und mehr die Organisation des elterlichen Alltags, die praktische Umsetzung der Frage: Wie geht es weiter?

Es geht wohl nicht mehr wie bisher. Wiederholte Unfälle im eigenen Haus können zu dieser Erkenntnis führen, wie bei Kester Schlenz und seinen Geschwistern. Ihren 80. hatte die Mutter noch gewohnt gesund gefeiert, die ihr eigene liebevolle Schnoddrigkeit ließ den Schluss zu, es werde wohl noch lange so gut gehen wie jetzt. Den Tod ihres Mannes hatte sie wohl verkaftet, ihr Leben als verwitwete Frau im Griff. So schien es.

Kester Schlenz ist bekannt für seinen anschaulichen Stil, seine konkrete Sprache. Mutti baut ab beschreibt genau so seine eigenen Erfahrungen mit einer grundlegenden Rollenverteilung, die ihn im eigenen Alltag mit einiger Wucht traf: Von den Eltern war man gewöhnt, dass sie eigenständig waren. Als Kind erlebte man sie bestimmender, als einem lieb war. Und nun sind sie diejenigen, die Hilfe brauchen. Bei der Organisation des Alltags, der ganzen Zukunft, im Gespräch mit behandelnden Ärzten, aber auch in so banalen Dingen wie der Suche nach einer Jacke, beim Ankleiden, bei der Essenszubereitung.

Einem Thema, das aus gutem Grund für viele Menschen mit Angst besetzt ist, das man nur zu gerne verdrängt, nimmt Kester Schlenz das Bedrohliche. Dabei verharmlost er das, was da geschieht, keineswegs. Er beschreibt, wie die stets so robust auftretende Mutter das eigene Leben nach dem Tod des Mannes doch mehr und mehr lax nahm, sich selbst vernachlässigte, dem äußeren Anschein völlig gegenläufig. Er verschweigt auch nicht, dass in der Frage ihrer Zukunft der Starrsinn der Mutter sich in Grenzen hielt, die Einsicht in die nötige Hilfe von außen dann doch rasch gegeben war.

Vielleicht kann man als junger Erwachsener kaum früh genug ein solches Buch lesen – um für den Fall des Falles gerüstet zu sein. Wenn das überhaupt möglich ist, dann durch ein solches Buch.

Kester Schlenz: Mutti baut ab. Wenn Eltern alt werden. Mosaik Verlag; 12 Euro.

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