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Die Liste seiner elektronischen Innovationen schien endlos. Tatsächlich führte der BMW 7er (E23) den Automobilbau ab 1977 in eine neue Ära. Nicht nur, dass die bayerischen Sechszylinder die schwäbische S-Klasse und Britanniens formvollendete Jaguar-Zwölfzylinder herausforderten. Die elegant und doch dynamisch gezeichneten Limousinen mit den Typenschildern 728 bis 745i waren auch die ersten Serienautos mit digitaler Motorelektronik, elektronischem Tacho inklusive Cruise Control und Bordcomputer mit Diebstahlsicherung. Mit dem vollwertigen 4-Kanal-ABS zogen sie mit der Mercedes S-Klasse gleich. Hinzu kam im 745i ein Geniestreich der Turbotechnik, die aus dem 3,2-Liter-Sechszylinder 185 kW/252 PS freisetzte und ein ursprünglich vorgesehenes Toptriebwerk mit zwölf Zylindern ins Archiv abkommandierte. BMW-Südafrika hielt noch eine weitere Spezialität bereit: Den dortigen M745i beschleunigte das 213 kW/290 PS freisetzende Kraftwerk des Supersportwagens M1 auf 241 km/h, genug für den Titel der weltweit schnellsten Luxuslimousine.

Sicher, der 7er war nicht der erste Oberklasse-BMW. Vielmehr folgte er den Spuren seiner direkten Vorgänger 2500 bis 3,3 Liter (Typ E3) und auch den V8-Barockengel-Limousinen aus den 1950er Jahren. Aber erst mit den 7er Generationen machten die Münchner der S-Klasse das Leben schwer und sie animierten Audi sowie Lexus und Infiniti zum Vorstoß ins anspruchsvollste Limousinen-Segment. Schließlich wirkten über 285.000 verkaufte BMW 728 bis 745i der Baureihe E23 im Luxusclub wie ein Ausrufezeichen.Bevorzugt gekauft wurden die bayerischen Oberklassetypen nach BMW-Analysen von jenen Kunden, die „eher souveräne Noblesse als auffällige Demonstration schätzen“. Deshalb folgte der unter BMW-Chefdesigner Paul Bracq gezeichnete 7er in seiner Linie dem 6er Coupé, das die Fachwelt 1976 als Meisterwerk modernen Automobildesigns gewürdigt hatte. Trotz stattlicher 4,86 Meter Außenlänge war das Blechkleid des 7ers auf Understatement ausgelegt mit flach abfallenden Motor- und Kofferraumhauben, kurzen Überhängen und niedriger Gürtellinie. Ganz im Gegensatz zu den chrombehängten S-Klasse-Sternenkreuzern der Serie W116, die wie eine massive Trutzburg mit mächtigen bis zu 6,9-Liter großen V8 alle Angriffe potentieller Konkurrenten abwehren sollten.

Zunächst aber starteten die Typen 728, 730 und 733i im Frühjahr 1977 den Sturm auf die Benz-Bastille recht erfolgreich. Dabei störte anfangs nicht einmal, dass die drei Sechszylinder mit 125 kW/170 PS bis 145 kW/197 PS Leistung durchweg alte Bekannte aus dem Vorgänger waren. So stellte BMW-Chef Eberhard von Kuenheim im Juli 1977 zufrieden fest: „Das Auftragsvolumen ist so unerwartet groß, dass das Dingolfinger Werk mit der Produktion kaum nachkommt“. Der Einführungsslogan der BMW-Werber – „Es war nicht nötig, in der obersten Klasse ein noch besseres Automobil zu bauen – schien sich zu bestätigen. Dennoch genügten die Qualitäten der Baureihe E23 am Ende nicht, um die bereits fünf Jahre alte S-Klasse in den Zulassungscharts zu schlagen. Was Mercedes mit den Werbeworten quittierte: „Auch 1977 war es nicht möglich, ein besseres Auto zu bauen – Mercedes-S-Klasse.

Seinen englischen Konkurrenten von Jaguar/Daimler setzte der 7er zwar sogar auf deren Heimatmarkt zu, aber dem enormen Druck des 1978 eingeführten Opel-Spitzenmodells Senator hielt der Prestige-BMW kurzzeitig ebenso wenig stand wie den Mercedes-Modellen. Denn die BMW-Motoren setzten keine Signale. Neu ins Programm kam deshalb 1979 der BMW 735i mit dem aus dem 635 CSi bekannten 3,5-Liter-Sechszylinder und 160 kW/218 PS. Ein Jahr später folgte dann der 745i mit 185 kW/252 PS starkem abgasturbogeladenen Sechszylinder. Dieser garantierte endlich die ersehnten Fahrleistungen, die nicht nur bei Sechszylinder-Limousinen ihresgleichen suchten.

In 7,8 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, das gelang nicht einmal dem neuen 5,0-Liter-V8 im Mercedes 500 SEL und mit einer Vmax von 222 km/h übertraf der 745i sogar den Maserati Quattroporte 4.2. Ungewöhnlich war damals noch, dass die Typenbezeichnung 745i nicht 4,5 Liter Hubraum indizierte. Stattdessen bemühte sich BMW um eine originelle Erklärung durch die im Motorsport übliche Formel für Turbofahrzeuge: der Hubraum multipliziert mit dem Faktor 1,4 ergab die Hubraumklasse, in der die Renner starten durften. Für den stärksten 7er mit 3.210 cm³ Hubraum bedeutete diese Rechnung die Zahl 4.494. Zwei Jahre später verzichteten die Münchner Motorenbauer auf solche Zahlenakrobatik, der Hubraum des 745i wurde auf 3,4 Liter vergrößert und die Typenbezeichnung blieb unverändert.

Bemerkenswert waren die neuen, verschärften Qualitätskontrollen in den BMW-Werken und die in allen Bauteilen besonders üppig dimensionierten Sechszylinder. Diese waren nun gut für Laufleistungen von teilweise weit über 300.000 Kilometern – in den 1970er Jahren fast schon sensationell für Sechsender. Eine Langlebigkeit, die auch Behördenfahrzeugen zugutekam, denn seit 1981 ergänzte der BMW 725i mit 150 PS-Motor aus dem Modell 525i das Portfolio. Galt doch bei der Bestellung von Dienstwagen oft eine Hubraumbegrenzung auf 2,5 Liter. Ebenfalls vor allem für Behörden bot BMW den 7er in gepanzerter Ausführung als Sicherheitsfahrzeug an. Ein geschickter Zug, denn so setzte BMW vor dem Bonner Bundestag im Meer der Mercedes-Limousinen erste Zeichen von Veränderungen.

In der Tat stabilisierten regelmäßige Modellpflegemaßnahmen und Aufwertungen die Absatzzahlen der ersten 7er Baureihe. So führte das Facelift vom Herbst 1982 zu einer Frontgestaltung mit flacherer Niere und kleinerem Lufteinlass im Kühlergrill und entsprechender Familienähnlichkeit mit den neuen Generationen von 3er und 5er. Für das Modelljahr 1984 wurde für die BMW 7er ein zukunftsweisendes elektronisch-hydraulisch gesteuertes 4-Gang Automatikgetriebe mit drei Fahrprogrammen lanciert und wenig später erweiterten exklusive Highline-Ausstattungen das Portfolio. Auch in den USA wurde eine besondere Variante der BMW 7er Reihe angeboten: der L7. Diese Modellbezeichnung ist von der Langversion des dritten 7ers bekannt. Beim ersten 7er konnte BMW dagegen noch auf einen längeren Radstand verzichten, denn beim Raumangebot im Fond setzte dieser 7er auch so Maßstäbe. Stattdessen stand L7 ab Herbst 1985 für „Luxury“, allerdings nur in Amerika, dem weltweit wichtigsten Luxusmarkt. Dort glänzte der L7 durch die europäische Highline-Spezifikation, ergänzt um Fahrerairbag, elektrisches Schiebedach, Klimaanlage und Sitzheizung.

Weit in die Zukunft wies das Doppel aus BMW 735i und 745i, das für den bivalenten Betrieb mit flüssigem Wasserstoff und Benzin umgerüstet wurde und in ein Erprobungsprogramm ging. Rund 25 Jahre später präsentierte BMW dann den BMW Hydrogen 7 als Vorreiter für Serienfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb. Als im Juni 1986 die Produktion des ersten 7ers endete, waren 285.029 Exemplare gefertigt worden. Eine gute Ausgangsbasis für den folgenden 7er, der tatsächlich vorübergehend die S-Klasse überholte.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: BMW/SP-X

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