Buchtipp – von Treuenfels: Gesund beginnt im Mund

Beitragsbild
Foto 1

Zähneknirschen als Problem dürfte vielen bekannt sein – aus Erfahrung oder Erzählungen von jemand, den es (schmerzlich) betrifft. Die Fernwirkung von Zähnen und Mund-Anatomie auf die Gesundheit geht aber noch viel weiter. Auch darüber ist schon viel geschrieben und spekuliert worden – Zahnfüllungen, vermutete Störfelder und vieles mehr.

Hubertus von Treuenfels gibt einen Überblick darüber, was wirklich sinnvoll ist. Spekulationen oder Engagement für eine bestimmte medizinische Richtung sind seine Sache nicht. Der promovierte Mediziner und Kieferorthopäde plädiert für ein Miteinander von Naturheilverfahren und schulmedizinischen Hilfen.

Ja, aber was ist was? Bei vielen Beschwerden, etwa der Atmung, sieht er Übungen als hilfreich an, um einen Zustand zu verbessern. Die muss man als Patient selbst erst lernen und dann regelmäßig ausführen. Auch das lästige Schnarchen gehört zu den Störungen, denen man mit viel Eigentätigkeit begegnen kann.

Das Hauptgebiet der Kieferorthopädie sind aber zweifellos die Korrekturen schiefer Zähne und Zahnreihen. Generationen können sich mittlerweile mit Grauen an die Apparaturen erinnern, die optisch an mittelalterliche Folterwerkzeuge erinnerten, sich in den ersten Tagen des Tragens und beim regelmäßigen Nachziehen durch den Doc auch so anfühlten. Und dann waren da noch die ergänzenden Teile, die man selbst über Nacht einsetzen musste, um das erwartbare Ergebnis zu verbessern. Wollte man sich wenigstens diese Folter ersparen, merkte das der Zahndoc garantiert beim nächsten Termin und quittierte es irgendwo zwischen bloßer Missbilligung und offener Androhung eines dann eben nicht so guten Ergebnisses. Vulgo: Dann haste eben weiter schiefe Zähne.

Ganz ersparen will Hubertus von Treuenfels seinen Patienten diese brachial anmutenden Behandlungen nicht. Weil sie in der richtigen Handhabung nicht brachial sind und ergänzende Hilfen sein können. Betonung auf ergänzend, denn inzwischen gibt es eine Vielzahl sanfterer Apparaturen, mit denen Raum geschaffen werden kann im Kiefer, damit genug Platz entsteht. Und die lassen sich durchaus schon bei Kindern im späten Grundschulalter anwenden.

An dem Beispiel zeigt sich der Ansatz, der das ganze Buch prägt: Schiefe Zähne und andere Fehlstellungen können viele Gründe haben. Verblüffend ist, wie von Treuenfels so alltägliche Vorgänge wie Lachen in ihrer Wirkung auf den ganzen Körper beschreibt, mit dem, was im Mund passiert, die Verspannung kompletter Muskelgruppen in Zusammenhang sieht und wie das alles auch die unterschiedlichen Gefühlslagen spiegelt, die uns so Tag für Tag erfassen.

Damit wendet er sich, teils sogar ausdrücklich, teils zwischen den Zeilen, gegen jenes Ideal, das in der rein mechanischen Zahnbehandlung offenbar vorherrscht: Schön und gesund ist nur das einheitliche Aussehen von Zahnreihen – schnurgerade, lückenlos, waschpulverweiß. Der Kieferorthopäde von Treuenfels plädiert stattdessen für einen Kompromiss: Lieber nicht den dentalen Einheitslook wählen, wenn dafür, wie so oft, vorab gesunde Zähne gezogen werden müssen, auf dass hernach genügend Platz fürs Richten sei.

Überhaupt gibt er dem behutsamen Anstoß und dem sorgsamen Beobachten den Vorzug gegenüber raschen Eingriffen. Damit stellt er sich, ansonsten der Naturheilkunde durchaus verbunden, auch einem ihrer anhaltenden Trends entgegen: Weisheitszähne gelten, je nach Lage und Form, als Mit-Ursache etlicher Übel, gerade in der Naturheilkunde. Aber auch hier wendet sich der Zahnarzt gegen das vielfach praktizierte vorbeugende Entfernen und setzt vorab auf sorgsame Beobachtung und regelmäßige Kontrollen.

Hubertus von Treuenfels schreibt nicht nur verständlich und anhand eigener Erfahrungen. Die eigentliche Brisanz seines Buches liegt daran, dass er an gleich mehreren Schönheitsidealen rüttelt. Die klinisch perfekte Zahnreihe und die regelmäßige Verwendung scharf schmeckender Mundspülungen sind nicht unbedingt der Königsweg zur Gesundheit. Damit teilt er mit der Dermatologin Yael Adler einen wichtigen Grundgedanken, den sie in Haut nah formuliert hat: So wenig, wie es das einheitlich perfekte Hautbild gibt, möglichst synthetisch duftend, so sehr muss man sich auch vom rein optischen leinwandtauglichen Zahn-Ideal entfernen. Was Schauspieler Jürgen Vogel übrigens von Anfang an tat – und damit bis heute Erfolg hat.

Hubertus von Treuenfels: Gesund beginnt im Mund. Knaur Taschenbuch Verlag; 18 Euro.

Scroll to Top