Oldtimer: Unterwegs im Citroën Ami Super Break

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In den Fünfzigern war Citroën quasi eine digitale Marke: 0 oder 1, barfuß oder Lackschuh – also 2CV oder DS. Die automobile Mittelschicht konnte nicht bedient werden. Also nahm man das 2CV-Chassis, versah die an Schwingen hängende Einzelradaufhängung mit Stabis und ließ von Hausdesigner Flaminio Bertoni eine Karosse zeichnen, die der Marke angemessen schien. Vor allem die schräg stehende Heckscheibe des zunächst Ami 6 genannten „Kompakten“ sticht ins Auge und verleiht ihm diese herrlich skurrile Optik. Wer wollte, konnte den kleinen Freund (das bedeuten die französischen Vokale auf deutsch) auch als Break, also die Kombiversion, erhalten – dann gab es ein recht gewöhnlich aussehendes Heck, doch die Front mit der charakteristisch gewölbten Motorhaube blieb erhalten. Als Motor kam das Enten-Triebwerk in Frage – schließlich war das Entwicklungsbudget begrenzt. So musste man zunächst mit 19,5 PS vorlieb nehmen. Zwei Jahre nach Debüt kam der markant klingende Zweizylinder auf 18 kW/24,5 PS, während die letzten Versionen sogar 24 kW/32 PS leisteten. Als der Ami 6 im Jahr 1969 durch die Weiterentwicklung Ami 8 (gleiche Maschine wie zuletzt im Vorgänger) ersetzt wurde, war die heute so skurril anmutende Heckscheibe durch ein moderateres Exemplar ersetzt worden.

Dafür bietet die Modellreihe für heutige Raritätensucher neben der ausgefallenen Optik noch ein ganz anderes Bonbon: Ein paar versprengte Ami verließen das Band mit einem 1.015 Kubikzentimeter großen Boxer-Vierzylinder aus dem Citroën GS. Und siehe da, plötzlich bewegt sich der knapp vier Meter lange Franzose. Kein Wunder, schließlich wüten jetzt 40 kW/54 PS an den beiden Antriebswellen – so viel hatte nicht einmal der Basis-Polo. Die schrullige Stockschaltung muss einer konventionellen Knüppelschaltung mit H-Schema weichen, so kann das Auto auch heute auf Anhieb von Oldie-Anhängern ohne Einweisung gefahren werden. Für den Grill des luftgekühlten Franzosen gibt es eine kleine Plastikabdeckung – dann wird ihm schneller warm. Das sei vollständigkeitshalber erwähnt, doch wer betreibt ihn schon im Winter bei Streusalz auf der Piste.

Der Ami Super fühlt sich erstaunlich modern an, zickt weder beim Bremsen noch beim Schalten, lässt sich trotz fehlender Servounterstützung leicht lenken und auch sonst einfach bedienen. Und weil ja ein Boxer montiert ist, verliert er die Eigenschaft des prägnant sägenden Ungetüms nicht, obwohl vier Zylinder unter der Motorhaube werkeln. Angesichts von weniger als 900 kg Leergewicht ist der Super in der Praxis ein fast schon munterer Genosse.

Dieser Eindruck entsteht jedenfalls im Kontext des Fahrzeugs. Weit über 40 Jahre auf dem Buckel, mit Asphalttrennscheiben (135/12er Pneus) bereift und Minimal-Fahrwerk ausgerüstet. Dennoch durchläuft der Ami Kurven zügig, flauscht so angenehm über Bodenwellen, dass selbst Businessklasse-Besitzer neidisch gucken. Auch die Stühle gehen vollkommen in Ordnung, wenn man keinen Seitenhalt erwartet. Braucht man hier auch nicht. Der Ami Super ist der reinste Langstrecken-Oldtimer. Nur die kurze Übersetzung ist auf der Autobahn ein bisschen lästig – generell darf man das Geräuschlevel alter und kleiner Autos eben nicht mit jenem aktueller Exemplare vergleichen. Dafür gibt es reichlich Platz für vier Personen, und der Break bietet sogar noch ein Schippchen mehr Flexibilität. Er kann nämlich über 1.200 Liter Ladegut mitnehmen, nachdem die Rückbank entweder umgeklappt oder sogar ganz rausgenommen wurde.

Wer zwingend zum starken Super greifen will, muss etwas Geduld bei der Suche mitbringen. Während Ami 6 und 8 zusammen Millionenseller waren, verkaufte Citroën vom Topmodell nur etwas mehr als 40.000 Exemplare. Und die sind heute fast alle nicht mehr da, die braune Pest lässt grüßen. Wer ein ordentlich in Schuss gehaltenes Exemplar erwischt, hat dafür Ruhe mit seinem kleinen Freund. Denn die Technik ist robust, und die Motoren sind – egal, für welche Version man sich auch entscheidet, genügsam und wartungsfreundlich. Und ein lächelndes, freundlich gestimmtes Publikum ist dem Ami-Fahrer ohnehin gewiss. Was will man mehr?

Text und Fotos: Spot Press Services/Patrick Broich

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