Recht: Winterreifen und Wintereinbruch

Der Winter hat diese Woche in Deutschland nochmal ein Comeback hingelegt. An etlichen Stellen drohen Frost und Glatteis. Müssen Autofahrer, die bereits ihre Sommerreifen aufgezogen hatten, jetzt wieder wechseln?

Der Wintereinbruch in der letzten Aprilwoche hat Autofahrer, die bereits ihre Sommerreifen aufgezogen hatten, kalt erwischt. Viele Autofahrer haben seit Ostern die Reifen gewechselt. Doch was sagt die deutsche Rechtslage über das Zusammenspiel von Aprilwetter und Autobereifung? Macht sich jemand, der bei diesem Wechselwetter das Gefährt schon mit Sommerreifen bestückt hat, automatisch strafbar?

Nein, die Straßenverkehrsordnung (StVO) kennt keinen bestimmten Zeitraum im Kalender, in dem Winterreifen aufgezogen werden müssen. Die Grundregel „Von Oktober bis Ostern“ hat also keine tatsächliche, juristische Bedeutung. In anderen europäischen Ländern gibt es aber solche Regelungen, beispielsweise existiert in Tschechien eine allgemeine Winterreifenpflicht bis zum 31. März.

In Deutschland herrscht hingegen eine „situative Winterreifenpflicht“. Die Bereifung ist abhängig zu machen von den tatsächlichen Straßenverhältnissen. Herrschen Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch oder Reifglätte, darf ein Kraftfahrzeug nur gefahren werden, wenn es die erforderlichen Reifen besitzt. Wer bei derartigen Wetterverhältnissen mit Sommerreifen fährt, riskiert bei einer Kontrolle durch die Polizei ein Bußgeld und einen Punkt in Flensburg (§ 2 Abs. 3a StVO). Die Summe des Bußgeldes kann sich noch erhöhen, wenn aufgrund des Verstoßes eine Behinderung, Gefährdung oder sogar eine Sachbeschädigung eintritt.

Gerade in der Übergangszeit von März bis Mai kann es auch lokal wesentliche Unterschiede in den Straßenverhältnissen geben. Gefährlich wird es dann vor allem an bestimmten Stellen, an denen sich die Kälte länger hält. Ein Beispiel hierfür sind Brücken, wo Eisglätte aufgrund von Wind und fehlender Bodenwärme schneller entstehen kann. Auch auf Straßenabschnitten, auf die wenig Sonne scheint, etwa in Waldgebieten, ist Vorsicht geboten.

Wie es im Falle eines Unfalls oder Schadens um den Versicherungsschutz steht, ist nicht ganz eindeutig. Vor allem, wenn die Wetterlage auch nicht eindeutig ist. Möchte die Versicherung die Leistungen kürzen, muss sie dem Versicherungsnehmer eine grobe Fahrlässigkeit nachweisen. Die liegt dann vor, wenn der Versicherte seine gebotene Sorgfalt in außergewöhnlich hohem Maße verletzt hat. Fährt jemand im Februar auf eisglatter Fahrbahn mit Sommerreifen, ist das ein relativ klarer Fall.

Komplizierter wird es allerdings, wenn das Winterwetter nicht durchgängig ist. Etwa, weil die lokalen Verhältnisse unterschiedlich sind, oder der Autofahrer von einem plötzlichen Kälteeinbruch überrascht wurde.

So urteilte das Amtsgericht Mannheim beispielsweise im vergangenen Mai zu Gunsten eines Versicherten. Von ihm forderte seine Versicherung eine hohe Selbstbeteiligung bei der Schadensregulierung, nachdem er bei Glatteis mit Sommerbereifung auf einer Brücke einen Unfall verursacht hatte. Dagegen klagte der Autofahrer – und bekam vor Gericht Recht (Az.: 3 C 308/14).

Die Begründung: In den Tagen zuvor hätten noch zweistellige Temperaturen geherrscht, eine Glatteiswarnung vom Vortag war bereits aufgehoben worden. Rund um die Brücke waren die Straßen zum Unfallszeitpunkt weitgehend eisfrei. Außerdem konnte nicht nachgewiesen werden, dass sich der Unfall mit Winterreifen hätte verhindern lassen. Daher stellte das Gericht keine grobe Fahrlässigkeit des Versicherten fest. Die Versicherung konnte ihren Anspruch nicht durchsetzen und musste zahlen.

Autofahrern, denen es nicht nur um einen klaren Versicherungsschutz, sondern auch um ihre Gesundheit geht, sollten vor allem eines tun: Nicht zu früh auf Sommerreifen wechseln. Wie aktuell erlebt, kann es auch noch Anfang bis Mitte Mai in Deutschland zu Frost und Glatteis kommen. Bis dahin sollten die Winterreifen am Auto bleiben.

Passiert doch etwas, sollten Sie sich schnellstmöglich um anwaltliche Hilfe bemühen. Da, wie oben aufgeführt, solche Situationen sehr vom Einzelfall abhängen, müssen etliche Regulierungsfragen geklärt werden. Die können schnell zu Konflikten führen. Gerade in der Verhandlung mit Versicherungen, beziehungsweise deren Schadensregulierern, ist Fachwissen unersetzbar. Das bringen Fachanwälte mit, im Gegensatz zu den meisten Unfallbeteiligten.

Nicht nur kann ein kompetenter Anwalt Regulierungsposten wie Verdienstausfall, Schmerzensgeld oder Nutzungsausfallschaden behandeln, er kann auch vor einer Zahlungsverweigerung durch Versicherungen schützen. Die Anwaltskosten sind außerdem regulierungspflichtige Schadenspositionen, die Sie bei Erfolg vor Gericht erstattet bekommen.

Copyright: Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein

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