Opel: 80 Jahre Olympia

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Nein, es waren nicht die sonst so gefeierten schnellen Stromlinien- und Autobahnmodelle, die auf der Berliner IAA 1935 die Massen geradezu magnetisch anzogen. Im Mittelpunkt der Messe standen vielmehr erschwingliche Volumenfahrzeuge wie der Opel Olympia. Dieser machte mit Kampfpreisen ab 2.500 Mark die Liga der 1,3-Liter-Modelle für viele bezahlbar – und Opel zum größten Autobauer Europas. Optisch war der Revolutionär aus Rüsselsheim bis auf die halbintegrierten Hauptscheinwerfer geradezu bieder, technisch betrat er Neuland. Als weltweit erstes Serienfahrzeug dieser Größenklasse war er mit gewichtssparender selbsttragender Ganzstahlkarosserie ausgestattet. Nur 835 Kilogramm konstatierte die Waage für den Olympia, 135 Kilogramm weniger als beim Vorgänger-Modell Opel 1,3 Liter. Ein Vorteil, der den Olympia zur damals sparsamsten und schnellsten 18 kW/24 PS-Limousine am Markt machte. Nicht einmal die stärkeren BMW 315 konnten dem Opel davon fahren. Kleine Modellpflegen genügten, um die bis dahin populärste deutsche Mittelklasse bis in die 1950er Jahre frisch zu halten. Erst dann startete der Nachfolger Opel Rekord zu neuen Rekorden – mit stolzem Namenszusatz Olympia in großen Chromlettern.

Ursprünglich sollte der Opel Olympia durch seine Modellbezeichnung nur vom 1935 in Deutschland grassierenden olympischen Fieber profitieren, standen doch die Spiele in Berlin unmittelbar bevor. Dann aber wurde er selbst zum Sportler, fuhr schneller, höher und weiter als die automobilen Rivalen. Davon kündeten ein stilisierter Zeppelin am Bug und ein auffälliges Diskuswerfer-Emblem. Vor allem aber spektakuläre Marketingaktionen, wie sie bis dahin sonst der gerade verstorbene André Citroën inszeniert hatte. So fuhren im Juni 1936 zwei Olympia nach Griechenland, um den Fackelstaffellauf vom Stadion des alten Olympia bis nach Berlin zu begleiten. Insgesamt 3.075 praktisch problemfreie Kilometer, obwohl auch automobile Marterstrecken nicht ausgelassen wurden.

Kurz zuvor war der Olympia für einen anderen Rekord gut: Als erstes Automobil überhaupt wurde der Opel auf dem Luftweg über den Südatlantik nach Rio de Janeiro transportiert – im Laderaum des gigantischen Zeppelins Hindenburg. Fast schon nebenbei zelebrierte dieser erste für Brasilien bestimmte Olympia zugleich ein außergewöhnliches Jubiläum. War er doch das 500.000ste Automobil, das Opel seit Beginn der Fertigung im Jahr 1899 auslieferte. Wenige Monate später wählte Opel den scheinbar zukunftsweisenden Zeppelin zum Markenlogo. Weitere Schlagzeilen machte der Olympia zum Ende des Olympischen Jahres 1936: Mit einer Jahresproduktion von 37.127 Einheiten hatte er bereits fast die Stückzahlen des Opel P4 erreicht, der mit Preisen von 1.650 Mark damals erfolgreichstes deutsches Volksauto war. Vor allem aber avancierte die Adam Opel AG so mit insgesamt rund 121.000 verkauften Fahrzeugen zum größten Automobilproduzent Europas.

Bis in die Zeit des Wirtschaftswunders der jungen Bundesrepublik sicherte sich der Olympia medienwirksame Auftritte, die seine Popularität erhöhten und den 1936 erstmals verwendeten Werbespruch „Opel, der Zuverlässige“ in den allgemeinen Sprachgebrauch einführten. Etwa durch die Teilnahme von gleich elf Opel Olympia an der internationalen Deutschen Alpenfahrt 1938. Mehr als 1.600 Kilometer über 38 Pässe waren zu bewältigen, was dem Olympia gelang und mit dem Alpenpokal für den besten Serienwagen belohnt wurde. Als billige und dennoch repräsentativ-elegante Cabrio-Limousine gelang diesem Opel noch im vorgerückten Alter eine außergewöhnliche Karriere auf Kino-Leinwänden. Sei es mit Nachkriegsstar Hildegard Knef, die gerne mit dem Opel posierte, oder in Hauptrollen wie im 50er-Jahre-Streifen „Die Prinzessin von St. Wolfgang“, in denen das Vorkriegsmodell aktuellen amerikanischen Chromkreuzern die Show stahl. Auch in den belgischen Kult-Comics mit Tintin durfte der Olympia nicht fehlen.

Geliebt und gekauft wurde der Olympia letztlich jedoch weniger aus emotionalen Gründen als wegen seiner technischen Qualitäten. Und natürlich, weil er ganz nach amerikanischem Vorbild konkurrenzlos viel Auto fürs Geld bot. Mit dem Olympia unterbot Opel-Mutterkonzern General Motors sogar den ewigen Rivalen Henry Ford, der seinen deutschen Ford Eifel anfangs zu 15 Prozent höheren Preisen verkaufte. Als Ford zwei Jahre später mit einer massiven Preissenkung konterte, konnte sich Opel einer Rabattschlacht souverän verweigern. Schließlich waren weder Ford Eifel noch dessen Nachfolger Taunus auch nur annähernd so erfolgreich wie der Olympia.

Der Rüsselsheimer Megaseller übertrumpfte locker damalige Bestseller wie den Adler Trumpf Junior oder die Zweitakt-DKW der Auto Union, von denen sich Saab und Volvo für ihre ersten Volksfahrzeuge inspirieren ließen. Tatsächlich fanden die Opel Olympia in Skandinavien viele Fans – obwohl ihr Kriegseinsatz im durch Deutschland besetzten Norwegen auf zahlreichen Filmen und Fotos veröffentlicht wurde. Schon vorher hatte GM-Chef William S. Knudsen frustriert erklärt: „Nicht ohne Bedauern müssen wir feststellen, dass Herr Hitler gegenwärtig Chef in unserem deutschen Tochterunternehmen ist.“

Was sich erst mit Kriegsende änderte, dann aber lief im Dezember 1947 in Rüsselsheim nach siebenjähriger Produktionspause als erster Personenwagen wieder ein Olympia vom Band. Mit all den Features, die schon das Modell von 1935 ausgezeichnet hatten: Verformbare Bereiche der Karosserie für passiven Passagierschutz, verwindungssteife Fahrgastzelle als Vorläufer heutiger Sicherheitszellen und eine neuartige Dachkonstruktion. „Auch das Dach ist erstmals aus einem Stück Stahl – ein schützender Panzer von höchster Widerstandsfähigkeit“, versprach die Opel-Werbung. Schließlich bestanden damals viele Fahrzeugdächer noch aus Holz- oder Stoff-Konstruktionen.

Ein Patent sicherte sich Opel zudem für die sogenannte „Opel-Zugfrei-Belüftung“ mittels vorderer und hinterer Ausstellfenster. Während der nur von innen zu beladende Kofferraum des Olympia heute als unpraktisch kritisiert würde, war dies damals ein vorteilhaft bewertetes Ausstattungsdetail. Immerhin wurde das Gepäck so optimal gegen Straßenstaub geschützt, der auf Wegen ohne Asphaltdecke ein verbreitetes Problem war. Was sich erst nach 1945 änderte und Opel dazu bewog, dem Olympia für die 1950er Jahre ein nun modisch gewordenes Kofferabteil mit von außen zu öffnendem Deckel zu spendieren.

Seine erste gründliche Überarbeitung hatte der Olympia aber bereits zum Modelljahr 1938 erfahren. Statt mittig angeschlagener Motorhaubenhälften bekam der nun als zwei- und viertürige Limousine lieferbare Opel eine in einem Stück zu öffnende sogenannte Alligatorhaube. Öffnete der Alligator sein Maul, zeigte sich darin ein neu entwickelter 27 kW kW/37 PS starker 1,5-Liter-OHV-Benziner, der den Opel auf 112 km/h beschleunigte. Genug für den Anspruch als Autobahn-Reiselimousine und genug, um bis Mitte der 1950er Jahre im Verkehrsalltag Tempo zu machen.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Opel/SP-X

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