Noch zu meiner Schulzeit (ich bin Jahrgang 1966) war es gewissermaßen soziale Pflicht, den Sommerurlaub außer Haus zu verbringen, wollte man nicht aus dem informellen Klassengefüge ausgeschlossen sein. Nach dem Motto: Wie – ihr könnt euch das nicht leisten? Und je weiter weg das Ziel, desto angesehener der Reisende. Wohlgemerkt, ich schreibe nicht über ein teures Privatinternat, sondern ein ganz normales staatliches Gymnasium. Da musste man schon mal – einmal mehr – die Außenseiterrolle in Kauf nehmen.
Die Zeiten haben sich geändert. Eltern können ihren Kindern heute durchaus plausibel machen, warum ein Urlaub finanziell nicht drin oder aus anderen Gründen nicht möglich ist. Ohne dass es im Freundeskreis der Kinder den beschriebenen Bäh-Effekt gibt. Und in Zeiten zunehmender Single-Haushalte ist man vielleicht ganz froh, in den Urlaubswochen einfach nur das zu tun, wozu einem im Alltag die Muße fehlt: nix.
Falko Löffler freilich treibt das auf die Spitze. Sein Buch ist das Plädoyer des Stubenhockers, und das schreibt er wörtlich, fürs Zuhause bleiben. Ach ja, das war auch so eine Kindheitserfahrung: Hier der blasse Stubenhocker, da der agile Sportsfreund. Dabei kann man's auch ganz, ganz anders sehen.
Reisen kann in Stress ausarten – und ist das nicht das genaue Gegenteil von Urlaub? Reisebüro, Autobahnraststätte, Ferienwohnung…bei letzterem werden vor allem Mütter zustimmen, die feststellen, dass ihr Urlaub nur der übliche Alltag ist, eben an einem anderen Ort. Schließlich: Egal, wo man ist, nervende Zeitgenossen finden sich immer.
Man ahnt es: Falko Löffler beherrscht die Kunst der satirischen Zuspitzung. Wenn er sogar durchaus stressarme Reiseziele wie die Mecklenburgische Seenplatte oder Teile des Ruhrgebiets als Stressoren darstellt, kann er durchaus mit Widerspruch rechnen. Wie gesagt, das ist Satire.
Aber, wie es jede gute Satire auszeichnet: Der wahre Kern ist da. Zuhause bleiben hat auch was. Und zwar nicht wenig. Damit gelingt Falko Löffler wie nebenbei ein Plädoyer für ein in unserer Zeit durchaus sehr rares Gut: Einfach mal Ruhe haben. Punkt.
Falko Löffler: Bin ich blöd und fahr in Urlaub? Zuhause bleiben ist der beste Trip. Goldmann Verlag; 8,99 Euro.
